2017

9. Mai2017

„Wird der Mensch vor der Geburt zum bloßen Produkt?“Vortrag Dr. med. Michael Kiworr

„Wenn die Frage gestellt wird: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?, dann gibt es aus wissenschaftlicher Sicht nur eine sinnvolle Antwort: ab dem Zeitpunkt der Befruchtung.“ Das erklärte der Gynäkologe Dr. Michael Kiworr, Autor der Bücher „Abtreibung in Deutschland“ (2011) und „Neun Monate bis zur Geburt“ (2016), bei einem Vortrag im Berliner Institut St. Philipp Neri, zu dem der Landesverband der Christdemokraten für das Leben (CDL) sowie die Regionalgruppen der Lebensschutz-Initiativen ALfA („Aktion Lebensrecht für Alle“) und KALEB („Kooperative Arbeit Leben ehrfürchtig bewahren“) eingeladen hatten. „Im Moment der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht ein neuer Organismus mit einer individuellen, einzigartigen DNA. Die gesamte weitere Entwicklung dieses Organismus – nicht nur bis zur Geburt, sondern auch darüber hinaus – ist ein kontinuierlicher Prozess. Da gibt es keinen Zeitpunkt, an dem man sagen könnte: Ab jetzt ist es ein Mensch und vorher nicht.“ Die Annahme, das ungeborene Kind werde erst in einem wie auch immer definierten Stadium der Schwangerschaft zum Menschen, gehe auf antike Vorstellungen zurück, wie sie sich etwa bei Aristoteles finden; den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft halten diese Vorstellungen jedoch nicht stand.

In einer materialreichen, ausgiebig bebilderten Präsentation wies Kiworr auf im öffentlichen Bewusstsein wenig präsente Fakten der Embryonalentwicklung hin: etwa, dass ein menschlicher Embryo bereits drei Wochen nach der Empfängnis ein schlagendes Herz hat und schon nach sechs Wochen messbare Gehirnaktivitäten aufweist. Ausgesprochen kritisch nahm Kiworr zu verschiedenen Methoden pränataler Diagnostik Stellung. „Mit dem medizinischen Verständnis von Diagnostik hat das, was da gemacht wird, eigentlich gar nichts zu tun“, betonte er. „Diagnostik sollte der Behandlung und Heilung von Menschen dienen. Bei vorgeburtlichen Gentests geht es ausschließlich um Selektion.“ Die in Deutschland seit 2011 unter bestimmten Bedingungen gesetzlich erlaubte Präimplantationsdiagnostik (PID), bei der durch künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) erzeugte Embryonen auf eventuelle genetische Defekte untersucht werden, zielt explizit darauf ab, als „fehlerhaft“ erkannte Embryonen auszusortieren und zu vernichten. Aber auch im Verlauf der Schwangerschaft durchgeführte Gentests wie der seit 2012 zugelassene „PraenaTest“ laufen in der Regel darauf hinaus, dass den Eltern, wenn genetische Defekte beim ungeborenen Kind festgestellt werden, eine Abtreibung nahegelegt wird. Angesichts des psychischen Drucks, der dadurch auf Eltern ausgeübt wird, plädierte Kiworr für ein „Recht auf Nichtwissen“. Ohnehin könnten durch vorgeburtliche Genanalysen lediglich bestimmte genetische Defekte festgestellt werden, wesentlich häufiger auftretende organische Schäden hingegen nicht; die Pränataldiagnostik suggeriere Eltern fälschlich, es könne so etwas wie eine Garantie auf ein gesundes Kind geben. Diese irrige Vorstellung spiegele sich in einer hohen gesellschaftlichen Akzeptanz pränataler Diagnostik wider. Ethisch fragwürdig sei dies aber auch nicht zuletzt deshalb, weil das Lebensrecht behinderter oder chronisch kranker Menschen radikal in Frage gestellt werde, wenn die Auffassung um sich greife, Kinder mit Behinderungen sollten besser gar nicht erst geboren werden.

Kiworr, der seit 1999 bekennender evangelikaler Christ ist, verwies darauf, dass auch die Bibel an vielen Stellen bereits dem ungeborenen Menschen eine von Gott verliehene persönliche Würde attestiere – so etwa in Psalm 139,13 („Denn Du hast mein Innerstes geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter“), Jesaja 44,2 („So spricht der Herr, dein Schöpfer, der dich im Mutterleib geformt hat“), Jeremia 1,5 („Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt“) und Galater 1,15 („Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat“).

Die vom Berliner Landesvorsitzenden der CDL, Stefan Friedrich, moderierte Abschlussdiskussion mit den rund 50 Teilnehmern der Veranstaltung drehte sich vor allem um die Frage, was jeder einzelne in seinem persönlichen Umfeld zur Sensibilisierung für das Lebensrecht ungeborener und insbesondere auch behinderter und chronisch kranker Menschen beitragen könne. Einigkeit herrschte darüber, dass wissenschaftliche Erkenntnisse über die menschliche Embryonalentwicklung einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, ein Bewusstsein für die Menschenwürde ungeborener Kinder zu schaffen. Dies müsse auch und gerade in der Sexualaufklärung Jugendlicher stärker berücksichtigt werden. Nicht zuletzt gehöre auch die Praxis der Schwangerenkonfliktberatung in dieser Hinsicht auf den Prüfstand: Die Aufklärung über die vorgeburtliche Entwicklung des Kindes müsse einen wesentlichen Bestandteil der Beratungspraxis bilden. Dieser Forderung müsse auch auf politischem Wege Nachdruck verliehen werden. Zudem wurde betont, gerade unter jungen Menschen müssten die Gelegenheiten zum Kontakt mit Behinderten, etwa mit Menschen mit Chromosom-Anomalien wie Trisomie 21 (Down-Syndrom), gefördert werden; verwiesen wurde in diesem Zusammenhang auf Initiativen wie das Berliner „Theater RambaZamba“, laut Eigenbeschreibung ein „integratives Theaterprojekt für Menschen mit so genannter Behinderung“. In einer Gesellschaft, die vielfach einem falschen Ideal von Selbstoptimierung nachjage, sei es wichtiger denn je, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass auch mit genetisch bedingten Beeinträchtigungen ein menschenwürdiges, erfülltes und glückliches Leben möglich sei.

 

9. Februar 2017

„Kaiser Karl – Mythos und Wirklichkeit“ Buchvorstellung mit Eva Demmerle

Eva Demmerle bei ihrem Vortrag

Eva Demmerle bei ihrem Vortrag

Am 9. Februar 2017 stellte die Historikerin Eva Demmerle ihr Buch „Kaiser Karl – Mythos und Wirklichkeit“ vor über 50 Zuhörern in der Bibliothek des Konservatismus vor. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit den Christdemokraten für das Leben (CDL) Berlin durchgeführt. Der Landesvorsitzende der CDL Berlin, Stefan Friedrich, sprach die Begrüßung, stellte die Referentin vor und führt auf das Thema hin.

Eva Demmerle ist eine der größten Kennerinnen der Familie Habsburg, die viele Jahre für den Sohn Kaiser Karls, Otto von Habsburg, im Europaparlament gearbeitet hat. Ihre Biografie widmet sich dem einzigen Staatschef der kriegsführenden Mächte, der tatsächlich versuchte hat, den Ersten Weltkrieg zu beenden.

So schrieb der französische Dichter Anatole France über ihn: „Kaiser Karl war der einzige anständige Mensch, der in diesem Krieg auf einem führenden Posten aufgetaucht ist. Er wünschte ehrlich den Frieden und deshalb wurde er von der ganzen Welt verachtet. So wurde eine einmalige Gelegenheit verscherzt.“

Demmerle zeigte in ihrem Vortrag auf, daß er zudem der einzige politische Entscheider war, der den Alltag des Krieges kannte, in den Schützengräben gestanden und das Leid und die Opfer der Soldaten gesehen hatte. Als Verbindungsoffizier des österreichischen Oberkommandos war Karl von Habsburg 1914 bis 1916 mehrfach an der Front. Mit dem Tode Franz Joseph II. wurde er 1916 zum Kaiser von Österreich und übernahm nicht nur die politische Macht, sondern auch den Oberbefehl über die Armee. Laut Demmerle erbte er einen Krieg, den er nicht gewollt hatte und erkannte die Aussichtslosigkeit der Lage der Mittelmächte. Daher versuchte er über seinen Schwager, Prinz Sixtus von Bourbon-Parma, den Entente-Mächten England und Frankreich konkrete Angebote zu unterbreiten – nach vorheriger Konsultation mit Kaiser Wilhelm II. Vor allem England reagierte positiv, allein Italien stellte sich quer. Doch nicht nur von außen wurde seine Initiative torpediert, auch die Deutsche Oberste Heeresleitung verweigerte jegliche Unterstützung. Trotz mehrfacher Versuche, auch in Bezugnahme auf den Friedensappell von Papst Benedikt XV. wurden die redlichen Friedensbemühungen Kaiser Karls I. sowohl vom Bündnispartner als auch von den meisten der Entente-Mächte immer wieder hintertrieben.

Mehr Erfolg hatte der junge Kaiser im Innern, wo er die Modernisierung vorantrieb und zudem ein sehr modernes Konzept der Föderalisierung Mitteleuropas erarbeitete, welches er nach Kriegsende und erzwungenem Exil nicht mehr in die Tat umsetzen konnte. Weitsichtig fürchtete er sich vor dem, was passieren würde, sollte der Donauraum zersplittern. Seine konkreten Befürchtungen sah er nicht mehr wahr werden. Er verstarb 1922 im Alter von nur 35 Jahren im Exil auf Madeira. Eva Demmerle präsentierte den in Deutschland eher unbekannten letzten österreichischen Kaiser als Mann mit klaren Vorstellungen, dem man durchaus eine längere Regierungszeit gewünscht hätte.